Kleine, im Gesicht bemalte, oder gravierte Tonfiguren fand man auch bei Ausgrabungen in Japan. Auch sie waren Grabbeigaben, um die Verstorbenen auf ihrem Weg in das Unbekannte zu begleiten.
Im Gegensatz zu den Japanern empfanden z.B. die Chinesen die Markierung der Haut als Barbarei und benutzten die Technik nur als Mittel zur Bestrafung. Anfang des 7. Jahrhunderts übernahmen die Japaner viel von der chinesischen Kultur und ihrer Haltung. Als Folge daraus fiel das Tätowieren in Japan in Ungnade.
Es gibt Nachweise, dass Todesstrafen zurückgezogen und durch Bestrafung durchs Tätowieren (unter anderem im Gesicht) ersetzt wurden. Der Bestrafte war sein Leben lang gebrandmarkt und verstoßen.
Diese Art der Bestrafung wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts wieder durch andere Formen ersetzt, da das Tätowieren als Körperschmuck in Japan wieder aufkam. Man ließ Markierungen von vergangenen Straftaten mit dekorativen, größeren Elementen überstechen. Was eine mögliche Erklärung dafür sein könnte, warum ein Großteil der Japaner heute noch negativ auf Tätowierungen reagiert.
Im blühenden Zeitalter der Edo Periode, florierte Tokyo als Handels-, Kultur- und Unterhaltungshauptstadt Japans. Es gab Viertel mit ausgeprägtem Nachtleben, Theatern, Musik, Sumowrestling und als bekannter Knotenpunkt für geschäftlichen Austausch etablierten sich unter anderem auch viele Künstler, Schriftsteller und ein weitläufiges Rotlichtviertel. Die Kunst des japanischen Holzschnittes, Ukiyoe, oder auch „pictures of the floating world” genannt, wurde erfunden, um der großen Anfrage nach Werbeplakaten für die Theatervorstellungen und Abendveranstaltungen nachkommen zu können. Die Drucker mussten, um genügend Einkommen zu verdienen, mehr als eine Arbeit annehmen und übten oft viele unterschiedliche, künstlerische Berufe aus, z.B. auch das entwerfen von Schilderbeschriftungen von Läden, Stoffdesign etc., und kamen so zum Tätowieren. Daher ähneln traditionelle japanische Tätowierungen, auch Irezumi genannt, oft den Motiven von Holzschnitten, da die ersten Tätowierer beide Tätigkeiten beherrschten. Tätowierungen standen jedoch unter Strafe, denn das autoritäre und unterdrückende Tokugawa Regime sah den Körperschmuck als ein Zeichen von Selbstbestimmung und Freiheitsdrang, welche es versuchte im Keim zu ersticken. Um 1939 rum ließen sich darum viele Männer tätowieren um von dem Einziehen in die Armee verschont zu bleiben. Sie wurden dadurch häufig ausgemustert, aus Sorge vor Ungehorsam und Fahnenflucht.
Trotzdem florierten Tattoos im Untergrund, bei sozialen Randgruppen weiter, wie z.B. Feuerwehrmännern, Rikschafahrern und Lieferanten. In Kyushu trugen Bergarbeiter, die Kohle abbauten, große Drachen auf ihren Körpern, als Schutzsymbol gegen die täglich drohenden Gefahren ihrer Arbeit. Frauen aus Okinawa wiederum trugen Handtattoos, als Zeichen ihrer Reife und Schönheit“.
Vor allem unter den Gangmitgliedern der Yakuza wurde das Prägen des Körpers, als ewige Bindung an die Gruppe etabliert. „Like Samurai, they pride themselves on being able to endure pain and privation withoutflinching. And when loyality required it, they were willing to sacn’fice themselves byfacing impnsonment or death to protect the gang. The Yakuza expressed these ideals in tattooing: Because it was painful, it was proofofcourage; because it was permanent, it was evidence of lifelong loyality to the group and because it was illegal‚ it made them forever outlaws.” (Kaplan, David E. and Alec Dubro.)
Ein besonders beliebter Titel war damals das Buch Suikoden, die Geschichte einer Bande von 108 Gesetzeslosen, die die korrupten Oberhäupter Chinas bezwangen. Es wurde zum Symbol des Wiederstandes gegen die Unterdrückung durch das japanische Regime. Die Mitglieder der Bande waren großflächig tätowiert, mit symbolischen Gegenständen die ihre Charaktere repräsentieren sollten. Die Beliebtheit der chinesischen Geschichte sorgte dafür, dass viele Ukiyoe-Meister es sich zur Aufgabe machten diese zu illustrieren. Diese Drucke haben heute einen sehr hohen Sammlerwert. Manche Illustrationen waren so beeindruckend detailreich und kunstvoll, dass viele die Tätowierungen ihrer Idole auf sich übertragen haben wollten.
Einer der bekanntesten Holzschneider war Utagawa Kunyoshi. Seine Illustrationen sind zu den beliebtesten Vorlagen von japanischen Tätowierern geworden. Die Ästhetik des Holzschnitts und des Tätowierens war so verwoben und ineinander greifend, dass derTitel Hori (to carve, eingraben, schnitzen, gestalten) für Meister des Holzschnittes und des Tätowierens gleichermaßen verwendet wurde. Auch heute noch tragen die IVIeister des Irezum/ den Titel Hori. Der heute bekannteste noch lebende von ihnen ist Horiyoshi III.
Ab 1850 musste sich Japan gezwungenermaßen, nach der Ankunft der schwarzen Flotte von Kommodore Malihew Perry, der westlichen Welt für den Handel öffnen. Ab 1860 brach das Tokugawa Regime, auf Grund von innerer Zerrissenheit und Druck von Außen, zusammen. Es wurde durch ein amerikanisches Konsulat ersetzt und eine europäische Kolonie etablierte sich in Yokohama.
Mehr als 200 Jahre hatte Japan, abgeschottet von äußeren Einflüssen, bestanden. Die japanische Kunst erfuhr eine Revolution, durch die neu gewonnenen Einflüsse. Ukiyoe schien auf einmal altmodisch und die Künstler versuchten durch das Einbringen von westlichen Illustrationsstilen, wie Perspektive und Schatten, moderner zu werden.
Die 1867 neu gegründete Meiji Regierung wollte sich vor zu großen Eingriffen in ihre Kultur schützen und versuchte, z.B. durch das Verbieten von Tätowierungen, sich der westlichen Kultur anzupassen. Man dachte immer noch, dass die bunten Bilder auf der Haut für den Westen Barbarei und Rückständigkeit bedeuten mussten. Aber das Gegenteil war der Fall. Tätowierungen schienen eines der Hauptinteressen der Neuankömmlinge zu sein. In der späteren Hälfte des 19. Jahrhunderts schwärmmten Matrosen aus aller Welt die Häfen Japans und wollten Tattoos als Souvenire mit nach Hause nehmen. Tattoos waren unter Soldaten schon bekannt, aber nicht in der Form des Irezumi. Die bunten Farben und großflächigen, durchdachten und zusammenhängenden Designs faszinierten und begeisterten. Die Regierung erkannte eine Einkommensquelle und ließ in Randgebieten und an den Häfen Tattoostuben eröffnen. Allerdings durften ausschließlich die Matrosen und Touristen bedient werden.
Der aktuelle Umgang mit Tattoos in Japan
So sehr Japan doch die Wiege des Tätowierens zu sein scheint, so schwer haben es trotz allem seine Träger. Lebt man in Deutschland, in oder an größeren Städten, ist man es gewohnt jede Menge Tattoos im öffentlichen Raum zu sehen. Aber ausgerechnet in Japan findet man kaum welche. Noch heute scheint man Angst vor tätowierten Menschen zu haben. So darf man nicht mit Tattoos in öffentliche Badehäuser, oder Sportvereine, welche bereits durch bunt illustrierte Schilder am Eingang klar zu verstehen geben, wer unerwünscht ist. Das wären noch die kleineren Probleme, jedoch kommt es vor, dass man auf Grund von Tattoos von öffentlichen Plätzen verwiesen wird, oder sogar seine Arbeit verlieren kann. Egal, wie klein und unauffällig das bunte Stück Haut sein mag. Touristen stellen keine Ausnahme dar.
Die Assoziation mit den Yakuza und ihrer organisierten Kriminalität ist immer noch allgegenwärtig.
2012 führte der Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, eine sehr fragwürdige Kampagne, in der er seinen Unmut gegenüber Tätowierten mehr als deutlich machte. Angestellte mussten Formulare ausfüllen in denen sie genau beschrieben, ob sie ein Tattoo haben, wie groß es ist, wo es an ihrem Körper ist und was es darstellt. Der Gedankengang ist einfach und klar. Wer ein Tattoo hat, ist ein Yakuza. Yakuza bedeuten Kriminalität. Also, ist derjenige mit dem Tattoo ein Krimineller. Wer eines hat, egal wie gut man es bedecken kann während der Arbeitszeit, kann davon ausgehen, dass der Lohn drastisch gekürzt, oder er sogar gänzlich von öffentlichen Diensten ausgemustert wird. Wenn der Verdacht aufkommt, dass Yakuza wieder in öffentlichen Diensten, wie dem Bank- oder Versicherungswesen arbeiten, muss es jemanden geben, der sie für diese Positionen eingestellt hat. Letzten Endes würde es auf die Regierung zurückfallen, welche als korrupt dastehen würden.
Horien, eine von wenigen Frauen, die in Japan tätowieren, beschrieb die Umstände die es mit sich bringen kann, als Frau in ihrer Profession in Japan zu arbeiten. Als Illustratorin hatte sie eine Wohnung gemietet, jedoch wurde sie von ihrem Vermieter rausgeschmissen, als bekannt wurde das sie auf das Tätowieren umgeschult hatte. Als sie stattdessen ein Haus mieten wollte, ging sie zu einem Maklerbüro, aber keiner wollte sie bedienen. Sie bekam nicht einmal eine Lebensversicherung”.